UPDATE Asylfolgeanträge Syrien (02.04.2021)

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Du hast vor kurzem einen Asylfolgeantrag beim BAMF gestellt, wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Militärdienst in Syrien?

In diesem Dokument versuchen wir, ein paar wichtige Fragen zu diesen Asylfolgeanträgen zu beantworten, und wie es jetzt mit Deinem Antrag weitergeht.

Nach Angaben des BAMF sind mittlerweile über 17000 gültige Asylfolgeanträge eingegangen, mit denen syrische Männer im wehrpflichtigen Alter einen vollen Flüchtlingsschutz beantragt haben. Du bist also nicht alleine!

Zuerst mal ist wichtig, dass das BAMF alle diese Anträge angenommen hat, wenn sie formal richtig gestellt wurden.

Kurz nachdem Du damals Deinen Asylfolgeantrag abgeschickt hast, müsstest Du eine entsprechende Nachricht vom BAMF bekommen haben. Wir wissen von vielen Antragstellern, dass sie anschließend vom BAMF zu einer Erkennungsdienstlichen Behandlung (ED) eingeladen wurden (d.h. um Fingerabdrücke oder Fotos von ihnen zu machen). Hoffentlich bist Du dann auch zu dieser ED hingegangen - sonst hätte das BAMF Deinen Antrag als ungültig betrachtet.

Mittlerweile haben die ersten Antragsteller schon einen Bescheid vom BAMF bekommen. Leider hat das BAMF bisher in allen Fällen die Anträge für negativ beschieden und für unzulässig erklärt. „Unzulässig“ bedeutet, dass das BAMF behauptet, dass durch das EuGH-Urteil keine neuen Tatsachen entstanden sind und man deshalb keinen Flüchtlingsschutz (statt subsidiärem Schutz) bekommen kann. Das BAMF will diese Anträge deshalb gar nicht erst prüfen.

Das BAMF denkt also, dass sich Deutschland nicht an das Urteil des EuGH halten muss. Bei Antragstellern, die in ihrem Asylfolgeantrag geschrieben haben, dass sie schon in ihrem ersten Verfahren vom Militärdienst oder der drohenden Einberufung in Syrien erzählt haben, behauptet das BAMF außerdem, dass es diese Aussagen im Folgeverfahren nicht mehr berücksichtigen muss, weil sie schon im ersten Verfahren erzählt wurden

Wir vermuten deshalb, dass das BAMF mit dieser Begründung jetzt zunächst sehr schnell alle diese Anträge als unzulässig ablehnen wird. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte.

Das BAMF hat vor zwei Wochen etwas sehr Ungewöhnliches gemacht: in einem Brief an alle Verwaltungsgerichte in Deutschland hat das BAMF erklärt, dass es davon ausgeht dass fast alle Antragsteller eine Klage gegen diesen negativen Bescheid machen werden. Das BAMF ist sich also selbst nicht sicher, ob es wirklich recht hat - und möchte offensichtlich die Arbeit vermeiden, alle über 17000 Verfahren einzeln führen zu müssen.

Deshalb hat das BAMF den Verwaltungsgerichten in ganz Deutschland vorgeschlagen, dass alle Klagen gegen diese negativen Bescheide wegen des syrischen Militärdienstes zunächst „ruhen“ sollen. „Ruhen“ bedeutet: die einzelnen Gerichte sollen sich erstmal nicht damit beschäftigen. Das BAMF möchte sich dann ein paar einzelne Fälle aussuchen, und nur diese Verfahren sollen zunächst vor Gericht verhandelt werden - möglicherweise dann auch vor den höchsten Gerichten der einzelnen Bundesländer oder sogar vor dem Bundesverwaltungsgericht. Alle anderen sollen erstmal abwarten, was bei diesen „Musterverfahren“ herauskommt.

Warum ist das ungewöhnlich? Nun, weil zum Beispiel ansonsten bei jedem Asylverfahren sehr genau geprüft werden muss, welche individuellen Gründe jemand hat, die zu einem Flüchtlingsschutz führen können. Wir denken, dass das BAMF sich mit einer pauschalen Ablehnung aller dieser Folgeanträge sehr hart an der Grenze dessen bewegt, was in einem demokratischen Rechtsstaat erlaubt ist. Wir wissen allerdings noch nicht, ob sich die Justiz auf diesen „Deal“ mit dem BAMF einlassen wird.

Wenn Du bisher noch keine Entscheidung vom BAMF bekommen hast, dann wirst Du jetzt vermutlich ziemlich schnell eine negative Entscheidung bekommen: „Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt“.

Wir (und viele andere Berater, Unterstützungsvereine und Rechtsanwälte in ganz Deutschland) denken, dass es auf jeden Fall sinnvoll ist gegen diese negativen Bescheide einen Widerspruch zu machen und Klage beim Gericht einzureichen. Es gibt durchaus eine realistische Chance, dass zumindest einzelne Gerichte im Gegensatz zum BAMF diese Verfahren positiv entscheiden. Und diese einzelnen Urteile haben dann eine positive Auswirkung auf alle anderen dieser Verfahren in ganz Deutschland.

Nachdem Du den negativen Bescheid vom BAMF bekommen hast musst Du innerhalb von 2 Wochen Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht einreichen. Dafür reicht zunächst eine kurze Mitteilung an das Gericht. Lass Dir dabei von der Beratungsstelle helfen, die Dich auch bei Deinem Asylfolgeantrag unterstützt hat, damit die Klage richtig formuliert ist und vom Gericht akzeptiert wird.

Anschließend bekommst Du einen Brief, ob das Gericht die Klage akzeptiert hat. In diesem Brief wird Dich das Gericht auch auffordern, Deine Klage ausführlich zu begründen. Dafür hast Du dann 6 Wochen Zeit. Die Organisation PRO ASYL erstellt gerade ein Muster für diese Begründungen, so dass nicht jeder Kläger eine eigene Begründung schreiben muss. Du solltest also auch dann nochmal mit Deiner Beratungsstelle Kontakt aufnehmen, damit sie Dir helfen diese Begründung zu schreiben und ans Gericht zu schicken.

Das Verfahren selbst ist gerichtskostenfrei, d.h. für den eigentlichen Prozess musst Du nichts bezahlen. Früher oder später kann es aber sinnvoll sein, einen Anwalt mit Deinem Fall zu beauftragen.

Es gibt mittlerweile etliche Anwälte, die sich bereit erklärt haben Klagen wegen des Militärdienstes in Syrien unkompliziert zu übernehmen. Wenn Du keinen eigenen Anwalt hast kannst Du Dich an Deine Beratungsstelle wenden, ob sie Kontakt zu so einem Anwalt haben.

Wenn Du wenig Geld hast (zum Beispiel nur Geld vom Jobcenter bekommst), dann solltest Du zusammen mit der Klagebegründung einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen. Deine Beratungsstelle kann Dir dabei helfen.

Zusätzlich haben sich schon einige überregionale Organisationen (zum Beispiel der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg) bereit erklärt, diese Klageverfahren finanziell zu unterstützen. Hier kann ebenfalls ein Antrag auf Rechtshilfe gestellt werden.

Das kann im Moment leider niemand sagen. Wir müssen wie gesagt abwarten, ob die Gerichte den Vorschlag des BAMF akzeptieren und die meisten Verfahren erstmal liegen lassen.