====== Fallbeispiele praktisch ======
**Kleiner großer Erfolg:** Anfang Juni 2022 erhielt Adam E. die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG. Der junge Äthiopier wandte sich im Sommer 2020 auf Vermittlung der KIT Jugendhilfe Tübingen an uns, nachdem sein Asylantrag auch vom Verwaltungsgericht abgelehnt wurde und er eine Duldung erhielt. Er hatte weder einen äthiopischen Ausweis noch Nationalpass.
Damals absolvierte er bereits seit über einem Jahr eine Ausbildung zum Altenpfleger in Tübingen. Doch mit der Duldungserteilung war die Beschäftigungserlaubnis und somit die Ausbildung gefährdet und die Abschiebung drohte. Mit hohem Aufwand gelang es Herrn E., einen äthiopischen Personalausweis zu bekommen, mit dem er einen äthiopischen Pass beantragen konnte.
Wir stellten für Herrn E. einen Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Doch dieses war mit dem Personalausweis als Identitätsnachweis nicht zufrieden, sondern verlangte mindestens einen Nachweis für die Passbeantragung. Im Dezember 2021 sagte die Botschaft einen Termin wegen Corona ab und erst im April 2021 war es Herrn E. möglich, den Passantrag bei der Botschaft zu stellen.
Zwischenzeitlich drohte das RP bereits mit dem Entzug der Beschäftigungserlaubnis wegen angeblich unzureichender Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Nach Vorlage des Nachweises zur Passbeantragung ließ das RP noch weitere 3 Monate ins Land gehen, erteilte dann jedoch die Ausbildungsduldung (kurz vor Ende der Ausbildung).
Kurz danach konnte Herr E. seine Ausbildung bereits erfolgreich abschließen und es wurde möglich, dass wir ihn bei der Antragstellung für eine Aufenthaltserlaubnis unterstützen. Vom Antrag auf die Aufenthaltserlaubnis bis zur letztlichen Erteilung vergingen weitere neun anstrengende Monate - mit vielen Termin-Wartezeiten und Schikanen bei der örtlichen Ausländerbehörde.
====== Fallbeispiele theoretisch ======
Herr B. aus Gambia hat eine Duldung. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Das BAMF glaubte ihm nicht, dass er als Student von den Schergen des Diktators verfolgt wurde. Und jetzt gibt es eine demokratisch gewählte Regierung in dem Land. Wenn er zurück müsste, hat er dort niemand, weil seine Eltern nicht mehr leben.
Drei Jahre lang hat Herr B. Vollzeit in einem Restaurant gearbeitet und war in dieser Zeit unabhängig von Sozialleistungen. Ein paar Wochen nach Erhalt der Duldung hat ihm das Regierungspräsidium aber ein Arbeitsverbot erteilt. Der Arbeitgeber musste ihn entlassen, obwohl er ihn weiter beschäftigen möchte. Herr A. erfüllt eigentlich alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung, er hat aber keine Identitätsdokumente.
Frau A. aus dem Iran ist zum Christentum konvertiert. In diesem „Gottesstaat“ droht ihr deswegen politische Verfolgung. Das BAMF hat den Asylantrag aber abgelehnt, ebenso nach der Klage das Verwaltungsgericht.
Frau A. ist gut integriert. Sie hat bereits Deutsch-Niveau C1 und nahm an einem Studienförderprogramm teil. Mit der Duldung droht ihr aber die Abschiebung. Jetzt hat sie einen Ausbildungsvertrag von einer Uniklinik erhalten. Das Regierungspräsidium möchte ihr aber nicht erlauben, die Ausbildung zu beginnen, denn sie hat keinen Nationalpass. Sie hat Angst, zur iranischen Botschaft zu gehen und sie hat auch nicht alle Dokumente, die man für einen Passantrag braucht.
Familie C. gehört zu einer Minderheit, die in der Türkei schon seit langer Zeit unterdrückt und verfolgt wird. Das BAMF hat ihre Fluchtgründe trotzdem nicht geglaubt. Gegen die Ablehnung des Asylantrags hat die Familie geklagt, aber jetzt warten sie schon seit zwei Jahren auf die Gerichtsentscheidung.
Herr C. hat einen Vollzeitjob in einem städtischen Betrieb und arbeitet auch noch viele Überstunden. Wenn auch das Gericht den Asylantrag ablehnt, hat die Familie vielleicht noch die Chance auf eine Beschäftigungsduldung. Für die städtische Unterkunft, in der die Familie wohnt, muss die 7-köpfige Familie aber so hohe Nutzungsgebühren bezahlen, dass sie weiter teilweise von staatlichen Sozialleistungen abhängig sind. Das heisst, die Familie kann ihren Lebensunterhalt nicht vollständig sichern. Das ist aber eine der Voraussetzungen für den Erhalt einer Beschäftigungsduldung.
Herr D. aus Eritrea ist schwerbehindert. Sein Asylantrag wurde trotz guter Bleibeperspektive vom BAMF abgelehnt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über seine Klage gegen den negativen Asylbescheid steht seit fast zwei Jahren aus. Aufgrund seiner Behinderung hat Herr D. keinen Zugang zu regulären Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen.
Herr D. könnte nun in einer speziellen Berufsfachschule für behinderte Menschen eine begleitete Ausbildung zum Metallfacharbeiter machen. Da diese Schule in einer weiter entfernten Stadt liegt möchte er seinen Wohnsitz dorthin verlegen und stellt einen Antrag auf Umverteilung. Die beteiligten Ausländerbehörden weigern sich aber, ihm zu erlauben sich dauerhaft ausserhalb seines jetzigen Wohnorts aufzuhalten.